unsere Herzen.
Khalil Gibran
Familienstand? – "Mittelmäßig", schrieb ein ehrlicher Kandidat ins Kästchen des Fragebogens.
© Prof. Dr. phil. habil. Rainer Kohlmayer
Der Bettler (nach Beranger)
Ich will in dieser Rinne sterben,
Bin alt und siech genug dazu;
Sie mögen mich "betrunken" schelten,
Mir recht! sie lassen mich in Ruh,
Die werfen mir noch ein’ge Groschen,
Die wenden ab ihr Angesicht;
Ja, eilt nur, eilt zu euren Festen,
Zum Sterben brauch’ ich euch doch nicht.
Vor Alter muß ich also sterben,
Man stirbt vor Hunger nicht einmal;
Ich hofft’ in meinen alten Tagen
Zuletzt noch auf ein Hospital;
Soviel des Elends gibt’s im Volke,
Man kommt auch nirgends mehr hinein;
Die Straße war ja meine Wiege,
Sie mag mein Sterbebett auch sein.
Lehrt mich ein Handwerk, gebt mir Arbeit,
Mein Brot verdienen will ich ja;-
Geh betteln! hieß es, Arbeit? Arbeit?
Die ist für alle Welt nicht da.
Arbeite! schrien mich an, die schmausten,
Und warfen mir die Knochen zu;
Ich will den Reichen doch nicht fluchen,
Ich fand in ihren Scheunen Ruh.
Ich hätte freilich stehlen können,
Mir schien zu betteln minder hart;
Ich habe höchstens mir am Wege
ein paar Kartoffeln ausgescharrt,
Und immer allerorten steckte
Die Polizei mich dennoch ein,
Mir raubend meine einz’ge Habe –
Du Gottes Sonne bist ja mein!
Was kümmert mich Gesetz und Ordnung,
Gewerb und bürgerliches Band?
Was euer König, eure Kammern?
Sagt, hab ich denn ein Vaterland?
Und dennoch, als in euern Mauern
Der Fremde Herr zu sein gemeint,
Der Fremde, der mich reichlich speiste,
Ich Narr, wie hab ich da geweint.
Ihr hättet mich erdrücken sollen,
als ich das Licht der Welt erblickt;
Ihr hättet mich erziehen sollen,
Wie sich’s für einen Menschen schickt.
Ich wäre nicht der Wurm geworden,
Den ihr euch abzuwehren sucht;
Ich hätt’ euch brüderlich geholfen
Und euch im Tode nicht geflucht.
Adelbert von Chamisso
Khalil Gibran
Familienstand? – "Mittelmäßig", schrieb ein ehrlicher Kandidat ins Kästchen des Fragebogens.
© Prof. Dr. phil. habil. Rainer Kohlmayer
Der Bettler (nach Beranger)
Ich will in dieser Rinne sterben,
Bin alt und siech genug dazu;
Sie mögen mich "betrunken" schelten,
Mir recht! sie lassen mich in Ruh,
Die werfen mir noch ein’ge Groschen,
Die wenden ab ihr Angesicht;
Ja, eilt nur, eilt zu euren Festen,
Zum Sterben brauch’ ich euch doch nicht.
Vor Alter muß ich also sterben,
Man stirbt vor Hunger nicht einmal;
Ich hofft’ in meinen alten Tagen
Zuletzt noch auf ein Hospital;
Soviel des Elends gibt’s im Volke,
Man kommt auch nirgends mehr hinein;
Die Straße war ja meine Wiege,
Sie mag mein Sterbebett auch sein.
Lehrt mich ein Handwerk, gebt mir Arbeit,
Mein Brot verdienen will ich ja;-
Geh betteln! hieß es, Arbeit? Arbeit?
Die ist für alle Welt nicht da.
Arbeite! schrien mich an, die schmausten,
Und warfen mir die Knochen zu;
Ich will den Reichen doch nicht fluchen,
Ich fand in ihren Scheunen Ruh.
Ich hätte freilich stehlen können,
Mir schien zu betteln minder hart;
Ich habe höchstens mir am Wege
ein paar Kartoffeln ausgescharrt,
Und immer allerorten steckte
Die Polizei mich dennoch ein,
Mir raubend meine einz’ge Habe –
Du Gottes Sonne bist ja mein!
Was kümmert mich Gesetz und Ordnung,
Gewerb und bürgerliches Band?
Was euer König, eure Kammern?
Sagt, hab ich denn ein Vaterland?
Und dennoch, als in euern Mauern
Der Fremde Herr zu sein gemeint,
Der Fremde, der mich reichlich speiste,
Ich Narr, wie hab ich da geweint.
Ihr hättet mich erdrücken sollen,
als ich das Licht der Welt erblickt;
Ihr hättet mich erziehen sollen,
Wie sich’s für einen Menschen schickt.
Ich wäre nicht der Wurm geworden,
Den ihr euch abzuwehren sucht;
Ich hätt’ euch brüderlich geholfen
Und euch im Tode nicht geflucht.
Adelbert von Chamisso