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Kreative Menschen gehen mit vielen Ideen schwanger – und nur ganz wenigen ist

es vergönnt, das Auge des Betrachters irgendwann zu erblicken.
© Damaris Wieser

Wir müssen Stoizismus, Askese und Ekstase vereinen. Zwei sind oft zusammengetroffen, aber nie alle drei.
Edmund John Millington Synge

Kassandra

Freude war in Trojas Hallen,
Eh die hohe Feste fiel,
Jubelhymnen hört man schallen
In der Saiten goldnes Spiel.
Alle Hände ruhen müde
Von dem tränenvollen Streit,
Weil der herrliche Pelide
Priams schöne Tochter freit.

Und geschmückt mit Lorbeerreisern,
Festlich wallet Schar auf Schar
Nach der Götter heilgen Häusern,
Zu des Thymbriers Altar.
Dumpferbrausend durch die Gassen
Wälzt sich die bacchantsche Lust,
Und in ihrem Schmerz verlassen
War nur eine traurge Brust.

Freudlos in der Freude Fülle,
Ungesellig und allein,
Wandelte Kassandra stille
In Apollos Lorbeerhain.
In des Waldes tiefste Gründe
Flüchtete die Seherin,
Und sie warf die Priesterbinde
Zu der Erde zürnend hin:

»Alles ist der Freude offen
Alle Herzen sind beglückt,
Und die alten Eltern hoffen,
Und die Schwester steht geschmückt.
Ich allein muß einsam trauern,
Denn mich flieht der süße Wahn,
Und geflügelt diesen Mauern
Seh ich das Verderben nahn.

Eine Fackel seh ich glühen,
Aber nicht in Hymens Hand,
Nach den Wolken seh ichs ziehen,
Aber nicht wie Opferbrand.
Feste seh ich froh bereiten,
Doch im ahnungsvollen Geist
Hör ich schon des Gottes Schreiten,
Der sie jammervoll zerreißt.

Und sie schelten meine Klagen,
Und sie höhnen meinen Schmerz,
Einsam in die Wüste tragen
Muß ich mein gequältes Herz,
Von den Glücklichen gemieden
Und den Fröhlichen ein Spott!
Schweres hast du mir beschieden,
Pythischer, du arger Gott!

Dein Orakel zu verkünden,
Warum warfest du mich hin
In die Stadt der ewig Blinden
Mit dem aufgeschloßnen Sinn?
Warum gabst du mir zu sehen,
Was ich doch nicht wenden kann?
Das Verhängte muß geschehen,
Das Gefürchtete muß nahn.

Frommts, den Schleier aufzuheben,
Wo das nahe Schrecknis droht?
Nur der Irrtum ist das Leben,
Und das Wissen ist der Tod.
Nimm, o nimm die traurge Klarheit,
Mir vom Aug den blutgen Schein,
Schrecklich ist es, deiner Wahrheit
Sterbliches Gefäß zu sein.

Meine Blindheit gib mir wieder
Und den fröhlich dunkeln Sinn,
Nimmer sang ich freudge Lieder,
Seit ich deine Stimme bin.
Zukunft hast du mir gegeben,
Doch du nahmst den Augenblick,
Nahmst der Stunde fröhlich Leben,

Nimm dein falsch Geschenk zurück!

Nimmer mit dem Schmuck der Bräute
Kränzt ich mir das duftge Haar,
Seit ich deinem Dienst mich weihte
An dem traurigen Altar.
Meine Jugend war nur Weinen,
Und ich kannte nur den Schmerz,
Jede herbe Not der Meinen
Schlug an mein empfindend Herz.

Fröhlich seh ich die Gespielen,
Alles um mich lebt und liebt
In der Jugend Lustgefühlen,
Mir nur ist das Herz getrübt.
Mir erscheint der Lenz vergebens,
Der die Erde festlich schmückt,
Wer erfreute sich des Lebens,
Der in seine Tiefen blickt!

Selig preis ich Polyxenen
In des Herzens trunkenem Wahn,
Denn den besten der Hellenen
Hofft sie bräutlich zu umfahn.
Stolz ist ihre Brust gehoben,
Ihre Wonne faßt sie kaum,
Nicht euch Himmlische dort oben
Neidet sie in ihrem Traum.

Und auch ich hab ihn gesehen,
Den das Herz verlangend wählt,
Seine schönen Blicke flehen,
Von der Liebe Glut beseelt.
Gerne möcht ich mit dem Gatten
In die heimsche Wohnung ziehn,
Doch es tritt ein stygscher Schatten
Nächtlich zwischen mich und ihn.

Ihre bleichen Larven alle
Sendet mir Proserpina,
Wo ich wandre, wo ich walle,
Stehen mir die Geister da.
In der Jugend frohe Spiele
Drängen sie sich grausend ein,
Ein entsetzliches Gewühle,
Nimmer kann ich fröhlich sein.

Und den Mordstahl seh ich blinken
Und das Mörderauge glühn,
Nicht zur Rechten, nicht zur Linken
Kann ich vor dem Schrecknis fliehn,
Nicht die Blicke darf ich wenden,
Wissend, schauend, unverwandt
Muß ich mein Geschick vollenden,
Fallend in dem fremden Land.« –

Und noch hallen ihre Worte,
Horch! da dringt verworrner Ton
Fernher aus des Tempels Pforte,
Tot lag Thetis' großer Sohn!
Eris schüttelt ihre Schlangen,
Alle Götter fliehn davon,
Und des Donners Wolken hangen
Schwer herab auf Ilion.
Friedrich von Schiller

Gemeoss

Solange ein Volk gezwungen wird zu gehorchen, so tut es wohl, wenn es

gehorcht; sobald es sein Joch abzuschütteln imstande ist, so tut es noch besser, wenn es dasselbe von sich wirft. Jean-Jacques Rousseau Das Muster eines geistvollen Journalisten. Da kaum ein deutscher Journalist Geist hat – gescheit sind viele – wird er für einen Dichter oder gar Philosophen gehalten. Robert Edler von Musil Die Fehlbarkeit früherer Herrscher war "gottgewollt". Warum aber in einer Zeit der Demokratie ebensolche bedauerlichen Kreaturen den Staat leiten , ist unverzeihlich. © Erhard Blanck Nichts erregt und nichts dämpft so schnell Angriffe als Gewährenlassen. Nur muß dieses freilich aus der Kraft, nicht aus der Schwächlichkeit kommen. Heinrich Lhotzky Wenn mich die Wissenschaft nicht mir selbst und der Welt nützlicher macht, so ist sie nichts mehr als eine Last des Verstandes und des Gedächtnisses. Unbekannt Solange man liebt, solange man lebt, solange man strebt und Liebe gibt, ist's Leben auch lebenswert. Klaus Groth Ein Schriftsteller, ...

Stell dich in Reih' und Glied,Das Ganze zu verstärken,Mag auch, wer's

Ganze sieht, Dich nicht darin bemerken… Das Ganze wirkt, und du Bist drin mit deinen Werken. Friedrich Rückert Nüsse darfst du knacken – aber keinen Menschen! © Phil Bosmans ”Tausche Verlobungsring, Schätzwert 900 Mark, gegen Jagdgewehr.“ Unbekannt Im Krieg werden mutige Menschen zu Helden. Feiglinge aber kehren lebendig nach Hause zurück. © Andrija Talic Wer von oben herab schaut, ist nicht stolz, sondern arrogant. © Erhard Blanck Der Trieb der menschlichen Natur, das Interesse, das dem Staate zu Grunde liegt, ist überall dasselbe. Heinrich von Treitschke

Ich ziehe deshalb den Herbst dem Frühjahr vor, weil das Auge im Herbst

den Himmel, im Frühjahr aber die Erde sucht. Søren Aabye Kierkegaard Das Gedächtnis ist ein sonderbares Sieb: Es behält alles Gute von uns und alles Üble von den andern. Henri Stendhal Wie kurzsichtig jammern wir über Unglück, wo wir dankbaren Herzens das wahre Glück erkennen sollten, das mit diesem Unglück uns geworden. Emmy von Rothenfels Natürlich willst du sein? Wähnst alles dann erzielt? Natürlich ist das Schwein, Das sich im Schlamme sielt. Friedrich von Sallet Selbstreflexion ist wie Therapie. Am Anfang tut es erst mal mehr weh … bis der Schmerz langsam mit Wohlbefinden verschmilzt. © Marina Zuber Der wirkungsvollste Kampf gegen das Böse in unserer Welt ist die Hinwendung zum Guten. © Ernst Ferstl Unsere furchtbarste Schuld ist das Gute, das ein Mensch von uns denkt und was wir nicht erfüllen. Emil Gött Übrigens: Kluge Frauen satteln das Steckenpferd ihres Mannes. Unbekannt Die zwei Weisesten der Menschen, Sokrates und Christus, schrieben keine Büche...

Hilf doch, o Herr, die Frommen

schwinden dahin, unter den Menschen gibt es keine Treue mehr. Bibel Die Freuden Es flattert um die Quelle Die wechselnde Libelle, Mich freut sie lange schon; Bald dunkel und bald helle, Wie das Chamäleon, Bald rot, bald blau, Bald blau, bald grün. O daß ich in der Nähe Doch ihre Farben sähe! Sie schwirrt und schwebet, rastet nie! Doch still, sie setzt sich an die Weiden. Da hab ich sie! Da hab ich sie! Und nun betracht ich sie genau, Und seh ein traurig dunkles Blau – So geht es dir, Zergliedrer deiner Freuden! Johann Wolfgang von Goethe Es gibt sogar Damenwitze mit Bart. © Erhard Horst Bellermann Alle Kristallisationen sind ein realisiertes Kaleidoskop. Johann Wolfgang von Goethe Fürchte den Bock von vorn, das Pferd von hinten und das Weib von allen Seiten. Anton Pawlowitsch Tschechow Geschichtsschreiber sind Leute, die sogar die Vergangenheit verändern können. © Erhard Horst Bellermann Vorurteile verstellen die Einsicht. © Siegfried Wache Der Me...

Gebe, o Jupiter, daß die Deutschen ihre Kräfte erkennen und ihren Fleiß auf

höhere Dinge richten, dann werden sie nicht mehr Menschen, sondern Götter sein! Giordano Bruno In der Kirche suchen manche Menschen vor allem den Ernst, da sie ihr eigenes Dasein im Alltag als etwas Albernes empfinden. © Prof. Dr. Wilhelm Schwöbel Es gibt in den Künsten ein Objektives und ein Subjektives, und je nachdem das eine oder das andere darin die hervorstechende Seite ist, hat der Dilettantismus Wert oder Unwert. Johann Wolfgang von Goethe Verantwortung – Last, die sich leicht auf die Schultern Gottes, des Schicksals, des Zufalls, des Glücks oder des Nachbarn abwälzen läßt. Ambrose Gwinnett Bierce Besonders tropentauglich möchte man sein, wagt man sich in die unerträglichen Paragraphendschungel hinein. © Martin Gerhard Reisenberg Blei soll man nicht auf die Goldwaage legen. Verfasser unbekannt Die Liebe ist unser ›Lindenblatt‹, das vom Bad des Lebens im Drachenblut ausgelassen wurde. © Erhard Blanck Gleichberechtigung: Wie er ihr, so sie ihm! © Paul Mommer...

Wenn uns bewußt wird, daß die Zeit, die wir uns für einen anderen

Menschen nehmen, das Kostbarste ist, was wir schenken können, haben wir den Sinn der Weihnacht verstanden. © Roswitha Bloch Der Katholicismus macht den Charakter gewöhnlich weicher, während der Protestantismus ihn befestigt; aber jene Weichheit artet oft in Schwäche, jene Festigkeit in Härte aus. William Edward Hartpole Lecky Wer alles ernst nimmt, was Menschen sagen, Darf sich nicht über Menschen beklagen. Alles Reden ist meist nur Gered. Weiß man erst, was dahintersteht, Läßt man's klappern wie die Mühlen am Bach Und geht stillfein in sein eigen Gemach. Christian Morgenstern Ist es schon leicht, den Menschen in hohen Ämtern zu schmeicheln, ist es noch leichter, sich selbst in ihrer Nähe zu schmeicheln. Hoffnung macht mehr Narren als Schlauheit. Luc de Clapiers, Marquis de Vauvenargues Manchmal hat man das Gefühl, viele Politiker regieren in der vierten Dimension. © Hans-Joachim Uthke Auf deine Weise magst du essen, aber auf anderer Leute Art mußt du dich kle...

Wie dem Mädchen, das dem Bade entsteigt, das Gewand anliegt, so sollt' es

die Sprache den Gedanken. Friedrich Gottlieb Klopstock Philosophen sind wie Tankwarte, die die Menschen mit ihren Gedanken erfüllen und antreiben wollen. © Sophia Elisabeth Gerber Der Handschuh Vor seinem Löwengarten, Das Kampfspiel zu erwarten, Saß König Franz, Und um ihn die Großen der Krone, Und rings auf hohem Balkone Die Damen in schönem Kranz. Und wie er winkt mit dem Finger, Auf tut sich der weite Zwinger, Und hinein mit bedächtigem Schritt Ein Löwe tritt Und sieht sich stumm Rings um, Mit langem Gähnen, Und schüttelt die Mähnen Und streckt die Glieder Und legt sich nieder. Und der König winkt wieder, Da öffnet sich behend Ein zweites Tor, Daraus rennt Mit wildem Sprunge Ein Tiger hervor. Wie der den Löwen erschaut, Brüllt er laut, schlägt mit dem Schweif Einen furchtbaren Reif Und recket die Zunge, Und im Kreise scheu Umgeht er den Leu Grimmig schnurrend; Darauf streckt er sich murrend Zur Seite nieder. Und der König winkt wieder, Da ...

Die sich hier liebten, werden sich drüben noch weit inniger lieben und ohne

irgendeine Spur von Furcht, noch einmal getrennt zu werden, einander unendlich liebenswert bleiben. Augustinus Aurelius Schweigen können zeugt von Kraft, schweigen wollen von Nachsicht, schweigen müssen vom Geist der Zeit. Karl Julius Weber Geduld und Phlegma! Das ist der Befehl Erfahr'ner Lebenskenner; Durch die Wüste führt besser das Kamel Als ein feuriger Renner. Albert Roderich Komm, o Nacht Komm, o Nacht! – und nimm mich hin, Daß ich schlafend mich vergesse, Länger nicht mit wachem Sinn Meines Kummers Tiefen messe. Schlafe, müdes, wundes Herz Deine Klagen sind vergebens. Schlaf ist Balsam deinem Schmerz, Traum die Blüte meines Lebens. Julius Karl Reinhold Sturm Wenn die Angst vor dem Tod überwunden ist, kann die Freude am Leben beginnen. © Günter J. Ammon Reich ist, wer sich bescheidet mit dem, was er hat. Aus China Kein Weg der Liebe ist ohne Gefahr. © Professor Dr. Josef Vital Kopp Geisterfahrer leben nicht so lange, dafür aber sehr intensi...

Die Mentalität der Menge: das ist ihr schlechtes Gewissen, das sind ihre Fälscher

und Wortverdreher, ihre „jahraus jahrein galoppierenden Federn“ und Denunzianten, ihre Spitzel und Rabulisten, ihre Großmäuler, Demagogen und Faselhänse. Ein heilloses Konzert! Eine Orgie seltsamer Verzerrung! Wehe dem Land, wo solche Mentalität den Geist überschreit, aber dreimal wehe dem Land, wo sie allein nur herrscht und sich selbst für den Geist hält. Hugo Ball Grabschrift eines Beamten Wie gerne ließ er sich vertreten, Der nun in kühler Erde ruht. Vielleicht, indes wir für ihn beten, Liegt drunten nur sein Substitut. Max Kalbeck Man sollte doch von sich auf andere schließen. Nur so kann man die Lehre annehmen. © Volkmar Frank Ich möchte sagen, erhaltet den Frieden, wenn es möglich ist; aber ich füge hinzu: Widerstand, rascher, entschiedener Widerstand gegen den ersten Angriff, seien die Folgen, wie immer geartet. Richard Brinsley Sheridan Du denkst, Hunde kommen nicht in den Himmel? Ich sage Dir, sie werden früher dort sein als irgendeiner von uns. Robert Lou...

Du Mensch, warum giltst du dir so wenig, da du doch für Gott

so kostbar bist? Gott ehrt dich hoch. Warum entehrst du dich so sehr? Warum suchst du nach dem, woraus du geschaffen bist, und nicht nach dem, wofür du gemacht wurdest? Petrus Chrysologus Ein Glaube ohne Hoffnung ist wie ein Schiff ohne Kompass. © Hubert Joost Wenn man fünf oder sechs Miseren vereinigt, so ergeben sie zusammengenommen einen ganz erträglichen Zustand. Voltaire Was man schon vorgestern hätte tun sollen, hat auch bis übermorgen Zeit. Aus Spanien Neuerer Zivilisationsprozeß: Das Ausbleichen der Schamröte. © Dr. Sigbert Latzel Kurze Spanne "Nächste Woche", sagen wir leichthin. Wenn wir das 52 mal gesagt haben, seufzen wir: "Mein Gott, wie die Zeit vergeht". Und wenn wir 80 mal geseufzt haben... © Peter Hohl