stecken.
Charles de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu
Die Willkür ist das gerechteste, ungerecht wirkende Pendant zum Auswahlverfahren einer jeden Demokratie.
© Julian Scharnau
Die Erschaffung des Weibes
Brahma, Schöpfer allen Lebens,
Saß und sann im Weltenmai,
Sann und grübelte vergebens,
Wie das Weib zu schaffen sei.
Denn, als er den Mann erschaffen,
Hatte seine Meisterhand
Alle festen, alle straffen
Elemente schon verwandt.
Wie das neue Werk beginnen,
Da kein Stoff mehr übrig war?
Erst nach langem tiefem Sinnen
Ward's ihm endlich offenbar.
Und er nahm der Blumen Sammet
Und den frommen Blick des Reh's
Und die Glut, die lodernd flammet,
Und den kalten Hauch des Schnees.
Nahm den schlanken Wuchs der Gerte
Und des Windes Flattersucht
Und des Diamanten Härte
Und die Süßigkeit der Frucht.
Nahm den zarten Schmelz vom Laube
Und den Flaum vom Vogelkleid
Das Gegirr der Turteltaube
Und des Tigers Grausamkeit;
Und vom morgendlichen Rasen
Nahm er die Tränenflut des Taus
Nahm die Furchtsamkeit des Hasen
Und die Eitelkeit des Pfaus;
Nahm vom Schilfe das Gezitter
Und des Vollmonds schwellend Rund
Und des Sonnenstrahles Flitter
Und des Hähers Plappermund.
Nahm der Kletterpflanze Schlingen,
Nahm der Schlange Wellenleib,
Und aus allen diesen Dingen
Schuf der Weltenherr das Weib.
Und dem Manne zum Genossen
Gab er es mit güt'gem Sinn;
Doch bevor ein Mond verflossen,
Trat der Mann vor Brahma hin.
Und er sprach: „Oh, Herr, das Wesen,
Daß du mir so gnadenvoll
Zur Gesellschaft hast erlesen,
Macht mich elend, macht mich toll.
Ach, es plappert Tag' und Nächte,
Raubt mir Schlaf und Zeit und Ruh',
Fordert viel, doch nie das Rechte,
Stört und quält mich immerzu.
Es vergiftet mir mein Leben,
Es zertrümmert mir mein Glück;
Du, der mir das Weib gegeben,
Großer Brahma nimm's zurück!“
Brahma tat nach seiner Bitte;
Doch nach einer Woche schon
Trat der Mann mit raschem Schritte
Wiederum vor seinen Thron.
„Herr“, so sprach er scheu beklommen,
„Meines Jammers dich erbarm'!
Seit mir das Geschöpf genommen,
Ward mein Leben leer und arm.
Ach gedenken muß ich täglich,
Wie dies Wesen tanzt' und sang,
Wie's mich ansah herzbeweglich
Und mit weichem Arm umschlang.
Die geschmeidig sanften Glieder
Und das liebliche Gesicht
Brahma gib das Weib mir wieder,
Meines Lebens Lust und Licht!“
Brahma stillte sein Verlangen;
Doch drei Tage kaum danach
Kam der Mann mit bleichen Wangen
Abermals zurück und sprach:
„Sieh' mich Herr voll bittrer Reue!
Ach ich war ein blinder Tor;
Seit das Weib mir ward auf's neue,
Bin ich ärmer als zuvor.
Niemals wieder mich betrügen
Wird ihr Lächeln und ihr Kuß
Winzig klein ist das Vergnügen,
Riesengroß ist der Verdruß.
Ach mir blieb kein Hoffnungsschimmer;
Drum erhör' mich, großer Gott:
Nimm das Weib mir ab für immer!“
Brahma rief: „Bin ich dein Spott?
Scher dich heim! Für deine Klagen
Bleibt mein Ohr fortan verschanzt;
Lern', so gut du kannst ertragen,
Was du nicht entbehren kannst!“
Traurig schlich der Mann von hinnen,
Und im Wandern seufzt er bang:
„Großer Brahma, nicht entrinnen
Werd' ich meinem Untergang.
Was du mir heraufbeschworen
Durch das Weib, verschmerz' ich nie:
So und so bin ich verloren -
Mit ihr und auch ohne sie.“
Unbekannt
Charles de Secondat, Baron de la Brède et de Montesquieu
Die Willkür ist das gerechteste, ungerecht wirkende Pendant zum Auswahlverfahren einer jeden Demokratie.
© Julian Scharnau
Die Erschaffung des Weibes
Brahma, Schöpfer allen Lebens,
Saß und sann im Weltenmai,
Sann und grübelte vergebens,
Wie das Weib zu schaffen sei.
Denn, als er den Mann erschaffen,
Hatte seine Meisterhand
Alle festen, alle straffen
Elemente schon verwandt.
Wie das neue Werk beginnen,
Da kein Stoff mehr übrig war?
Erst nach langem tiefem Sinnen
Ward's ihm endlich offenbar.
Und er nahm der Blumen Sammet
Und den frommen Blick des Reh's
Und die Glut, die lodernd flammet,
Und den kalten Hauch des Schnees.
Nahm den schlanken Wuchs der Gerte
Und des Windes Flattersucht
Und des Diamanten Härte
Und die Süßigkeit der Frucht.
Nahm den zarten Schmelz vom Laube
Und den Flaum vom Vogelkleid
Das Gegirr der Turteltaube
Und des Tigers Grausamkeit;
Und vom morgendlichen Rasen
Nahm er die Tränenflut des Taus
Nahm die Furchtsamkeit des Hasen
Und die Eitelkeit des Pfaus;
Nahm vom Schilfe das Gezitter
Und des Vollmonds schwellend Rund
Und des Sonnenstrahles Flitter
Und des Hähers Plappermund.
Nahm der Kletterpflanze Schlingen,
Nahm der Schlange Wellenleib,
Und aus allen diesen Dingen
Schuf der Weltenherr das Weib.
Und dem Manne zum Genossen
Gab er es mit güt'gem Sinn;
Doch bevor ein Mond verflossen,
Trat der Mann vor Brahma hin.
Und er sprach: „Oh, Herr, das Wesen,
Daß du mir so gnadenvoll
Zur Gesellschaft hast erlesen,
Macht mich elend, macht mich toll.
Ach, es plappert Tag' und Nächte,
Raubt mir Schlaf und Zeit und Ruh',
Fordert viel, doch nie das Rechte,
Stört und quält mich immerzu.
Es vergiftet mir mein Leben,
Es zertrümmert mir mein Glück;
Du, der mir das Weib gegeben,
Großer Brahma nimm's zurück!“
Brahma tat nach seiner Bitte;
Doch nach einer Woche schon
Trat der Mann mit raschem Schritte
Wiederum vor seinen Thron.
„Herr“, so sprach er scheu beklommen,
„Meines Jammers dich erbarm'!
Seit mir das Geschöpf genommen,
Ward mein Leben leer und arm.
Ach gedenken muß ich täglich,
Wie dies Wesen tanzt' und sang,
Wie's mich ansah herzbeweglich
Und mit weichem Arm umschlang.
Die geschmeidig sanften Glieder
Und das liebliche Gesicht
Brahma gib das Weib mir wieder,
Meines Lebens Lust und Licht!“
Brahma stillte sein Verlangen;
Doch drei Tage kaum danach
Kam der Mann mit bleichen Wangen
Abermals zurück und sprach:
„Sieh' mich Herr voll bittrer Reue!
Ach ich war ein blinder Tor;
Seit das Weib mir ward auf's neue,
Bin ich ärmer als zuvor.
Niemals wieder mich betrügen
Wird ihr Lächeln und ihr Kuß
Winzig klein ist das Vergnügen,
Riesengroß ist der Verdruß.
Ach mir blieb kein Hoffnungsschimmer;
Drum erhör' mich, großer Gott:
Nimm das Weib mir ab für immer!“
Brahma rief: „Bin ich dein Spott?
Scher dich heim! Für deine Klagen
Bleibt mein Ohr fortan verschanzt;
Lern', so gut du kannst ertragen,
Was du nicht entbehren kannst!“
Traurig schlich der Mann von hinnen,
Und im Wandern seufzt er bang:
„Großer Brahma, nicht entrinnen
Werd' ich meinem Untergang.
Was du mir heraufbeschworen
Durch das Weib, verschmerz' ich nie:
So und so bin ich verloren -
Mit ihr und auch ohne sie.“
Unbekannt